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Auszug aus einem Vortrag, den Dr. Beate M. Weingardt am 22.6.2003 im »Nachteulengottesdienst« in der Ludwigsburger Friedenskirche gehalten hat. (Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Autorin).



Glück ist wie ein Schmetterling...

heißt es in einem Schlager von Nana Mouskouri. Stimmt es wirklich, dass Glück von kurzer Dauer ist? Purer Zufall? Um es vorweg zu sagen: Glück haben ist vielleicht Glückssache, Glücklichsein nicht.

Für mich ist Glück nicht Glückseligkeit, also Euphorie (himmelhoch jauchzend), denn dies gibt’s in der Tat immer nur für kurze Zeitabschnitte. Glück ist allerdings auch mehr als Zufriedenheit, denn Zufriedenheit bedeutet – wie bei der Note Drei in der Schule: es könnte besser sein, es könnte auch schlechter sein, ich schwimme im Mittelfeld. Ich definiere Glück als eine bejahende Haltung, ein positives Gestimmtsein der Seele, sozusagen eine helle Grundmelodie des Lebens, zu der ich trotz mancher leichter oder schwerer Verstimmungen immer wieder zurückkehre.

Wie ein dreibeiniger Hocker
Diese Haltung hat drei Dimensionen: Ich bin im Einklang mit mir selbst, mit meinen Mitmenschen und mit meinen Lebensumständen. Man kann diese drei Dimensionen mit den drei Beinen eines Hockers vergleichen: Damit er steht, reicht es nicht, wenn zwei Beine intakt sind, eines aber angeknackst ist. Wenn man bedenkt, dass alle drei Bereiche zum Glück gehören, so ist es kein Wunder, dass so wenig Menschen wirklich glücklich sind. Meistens »hängt’s« irgendwo. Selbst wenn jemand von sich sagen kann, dass er mit allem in Einklang ist, kann es schon morgen oder ein Jahr später ganz anders aussehen. Denn wir ändern uns, und auch die Lebensverhältnisse können sich schnell ändern. Daher bedarf es harter geistig-seelischer Arbeit, um mit diesen veränderten Bedingungen wieder in inneren Einklang zu kommen. Es ist eines der Geheimnisse glücklicher Menschen, dass sie diese Arbeit immer wieder erfolgreich leisten, weil sie sich selbst als verantwortlich für ihr Glück ansehen und niemanden sonst.

Ich will vier Spielräume bzw. Arbeitsfelder nennen, die eine entscheidende Rolle spielen, wenn es um unser Glück geht. Alle vier beginnen mit einem »G«.

Gedanken
Wir haben die Freiheit zu entscheiden, wie wir über uns, andere Menschen, das Leben mit all seinen Begleiterscheinungen und Zwischenfällen denken, wie wir etwas deuten oder bewerten: Es gibt immer mehrere Möglichkeiten, und nicht alle sind gleich glücksfördernd. Auf einem Plakat las ich: »Natürlich können Sie sich den ganzen Tag ärgern, aber Sie sind dazu nicht verpflichtet.«
Vielen ist diese Freiheit in der Wahl ihrer Gedanken nicht bewusst. Sie meinen, es gäbe in der Regel nur eine Möglichkeit, etwas zu sehen oder zu bewerten. Weit gefehlt! Wir verfügen über einen enormen Deutungsspielraum. Einfaches Beispiel: Bei einem Vortrag hörte ich eine Frau hinter mir laut flüstern: »So hab ich mir die Pfarrerin aber nicht vorgestellt!« Jetzt hatte ich zwei Möglichkeiten, diesen Satz zu verstehen, und ich habe beschlossen, ihn positiv zu verstehen. Ich werde nie erfahren, ob ich richtig lag, aber ich weiß ganz sicher, dass ich gut damit lebte.

Wir können zwar nicht immer bestimmen, was wir sehen, hören, erfahren und erleben, aber worüber wir ganz gewiss entscheiden, ist: wie wir es interpretieren und bewerten. Ich möchte Sie dazu ermuntern, in Zukunft, wenn Sie sich ärgern, darüber nachzudenken: Wie könnte man das Ganze auch anders, zum Beispiel positiv sehen?


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